Halbzeit in Agapegården
Hej och välkommen tillbaka,
Anfang dieses Monats stand in der schwedischen Kirchengemeinde „Örby-Skene“ ein ganz besonderen Ereignis vor der Tür: am Mittwoch, dem 08.02. kam die Bischöfin von Göteborg zu Besuch. Dies war der erste Bischofsbesuch seit 15 Jahren und so für viele Mitglieder auch der erste. Auch wir Freiwilligen waren ein wenig nervös, denn ein Teil dieses Besuches war ein Zwischenstopp in unserem Haus, um mehr über unser Projekt zu erfahren. Denn, dass unsere Gemeinde ein Projekt im Rahmen eines europäischen Freiwilligendienstes anbietet und leitet ist etwas ganz besonderes und nicht in jeder Gemeinde zu finden.
So saßen wir fünf an besagtem Nachmittag in unserer Küche und warteten auf den angekündigten Besuch. Als dieser dann endlich vor unserem Haus erschien, waren wir etwas überrascht. Wir hatten die Bischöfin in Begleitung unserer zwei Mentorinnen erwartet, aber nein: Es standen bestimmt neun Leute vor unserer Haustür, die Hälfte davon unbekannte Gesichter. Trotzdem haben alle irgendwie Platz in unserem Esszimmer gefunden. Die Fragen konnten wir mit Bravour beantworten. Wir haben über unsere Arbeit hier erzählt, über die kulturellen Unterschiede, die wir beobachten (vor allem im Bezug auf die schwedische und deutsche/spanische Kirche) oder wie es uns persönlich damit geht, solange von zuhause fern zu sein.
Geendet hat der Besuch der Bischöfin mit einer kurzen Predigt im sonntäglichen Gottesdienst. Zu diesem Anlass sind auch wir Mädchen einmal zur Kirche gegangen. Normalerweise gehen wir nicht, da es mit der Sprachbarriere echt anstrengend ist, über eine Stunde still zu sitzen und zuzuhören.
Zeitungsartikel “Erster Bischofsbesuch in Mark seit 15 Jahren”
Wenig später folgten dann die Sportferien, genannt „Sportslov“. Im Grunde ist das einfach eine normale Ferienwoche gegen Winterende. Auch wir hatten in dieser Woche relativ viel frei und konnten eine kurze Auszeit vom Alltag nehmen. Das habe ich auch gebraucht. Manchmal ist unser Kalender echt voll. Vor allem seit Weihnachten haben wir zudem sehr viele Aktivitäten am Wochenende. Natürlich bleiben immer einige freie Tage, jedoch nicht immer mehrere am Stück. So taten die kurzen Ferien, in denen ich viel Zeit im Gym oder draußen verbracht habe, gut.
Bereits am folgenden Wochenende hatten ich und meine Freundin die Möglichkeit sogar noch mehr Auszeit von unserem Alltag zu bekommen. Mit vier Jugendlichen aus der Gemeinde ist einer unserer Priester auf ein Jugendkamp in Helsjön gefahren, welchem wir beide uns angeschlossen haben.
Obwohl wir offiziell ebenfalls als Teilnehmer und nicht als Jugendleiter dort waren, hatten wir beide durch unser Alter und die Sprachbarriere eine spezielle Rolle. Wir mussten nicht an allen Aktivitäten teilnehmen, da wir beispielsweise Gruppengespräche eher aufgehalten hätten. So hatten wir also viel Freizeit. Am Samstag Nachmittag habe ich mich auf den Weg zum nahe gelegenen See gemacht, welchen ich auf der Hinfahrt entdeckt hatte.
Nach einer Weile ging es dann plötzlich relativ steil bergauf. Trotzdem bin ich weitergegangen und dem Weg gefolgt. Nicht umsonst, denn als ich die Bergspitze erreichte, lag ein magisches Bild vor mir. Vom Rand der Klippe aus konnte ich den ganzen See und die ihn umrandenden Bäume sehen. Obwohl ich unglaublich weit blicken konnte, war kaum ein Haus zu sehen. Stattdessen bloß Wasser und Wald soweit das Auge reicht. Es versteht sich von selbst, dass ich dort erst einmal einen Moment geblieben bin und den Moment genossen habe.
Sonntag Mittag fuhren wir dann nach Örby zurück. Dort sind wir fünf Freiwilligen wenige Abende später auf Grund eines sehr besonderen Anlasses gemeinsam Essen gegangen. Am 18.02. haben wir die Halbzeit unseres Aufenthaltes in Schweden erreicht. Bereits seit über sechs Monaten sind wir nun hier in Schweden. Eines kann ich euch sagen: es fühlt sich nicht so an. Gemeinsam haben wir so viel erlebt, so viele neue Erfahrungen gesammelt und neue Menschen kennengelernt, dass die Zeit beinahe wie im Flug vergangen ist.
Bloß in diesen sechs Monaten habe ich viel von Schweden gesehen, wie beispielsweise Städte wie Stockholm, Kiruna und Göteborg oder wundervolle Natur wie den Ausblick in Helsjön und die Nordlichter. Ich durfte eine Schlittentour mit Huskies machen. Ich durfte eine neue Sprache und Kultur kennenlernen. Ich habe mir Träume erfüllt, von denen ich dachte, sie würden nie in Erfüllung gehen.
Doch viel wichtiger ist, dass ich hier jeden Tag als Mensch wachsen, mich besser kennenlernen und neue Dinge lernen darf. Dabei spreche ich nicht von Dingen, wie eine Waschmaschine zu bedienen, ein Event für Jugendliche zu planen oder eigenständig eine ganze Reise zu organisieren.
Ich spreche von inneren Werten. So bin ich beispielsweise viel offener und geduldiger geworden und kann jetzt damit umgehen, wenn es nicht immer so läuft, wie ich es mir vorstelle oder wünsche. Ich kann viel besser mit anderen Menschen interagieren, auch wenn ich vielleicht nicht perfekt mit ihnen harmoniere. Ich habe gelernt Entscheidungen schneller zu treffen, hinter meiner Meinung zu stehen und vor allem habe ich gelernt, dass es in Ordnung ist, mich selbst nicht immer ganz hinten anzustellen.
Mal schauen, wie sehr mich die nächsten sechs Monate noch verändern werden. Bis jetzt kann ich jedenfalls überzeugt sagen, dass dieses Jahr eine der wertvollsten Erfahrungen meines Lebens ist und wohl immer bleiben wird.
Vi ses nästa månad!
Ha det bra och hej då.
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