Das Ende eines Abenteurs
Hej och välkommen tillbaka,
bereits in den letzten Monaten habe ich berichten, wie es immer spürbarer wurde, dass sich mein Jahr in Schweden dem Ende neigte. Erst hörten die Kindergruppen auf und dann auch die Schule. Doch all dies waren bloß Kleinigkeiten zu dem Gefühl des letzten Monats in Schweden, in welchem das kommende Ende allgegenwärtig war.
Mitte Juli kam ich durch und durch entspannt aus meinem Urlaub in Spanien zurück, wo ich zwei Wochen lange Sonnenschein, gute Laune und eine Pause von meinem schwedischen Alltag genossen habe. Ich erinnere mich noch genau wie glücklich ich von der Bushaltestelle zu unserem Haus in Örby gelaufen bin, bereit die letzten vier Wochen hier anzutreten.
Wie kurz vier Wochen sind, wurde mir schon am nächsten Tag bewusst. Unsere beiden Mentoren kamen für ein Abschiedstreffen vorbei. Da das Kirchenjahr vorüber war, würden nun alle einige Wochen Urlaub haben, weshalb dieser Tag Mitte Juli der einzige war, an welchen wir sieben ein letztes Mal zusammentreffen konnten. Gemeinsam wurde Fruchtsalat und Eis gegessen. Danach waren wir von den beiden zum Abendessen eingeladen, ich blieb jedoch zuhause. In Spanien hatte ich mir eine üble Halsentzündung zugezogen, welche mir, kaum in Örby angekommen, die Stimme geraubt hat. So konnte ich nicht sprechen und habe mich bereits das ganze Treffen etwas ausgeschlossen und unwohl gefühlt. Deswegen versuchte ich lieber mich möglichst schnell auszukurieren.
So kam mir auch zunächst das erwähnte Ende des Kirchenjahres sehr zugute, denn dadurch hatten wir so gut wie gar keine Arbeit mehr. So haben wir jeweils noch einmal die Woche im Second-Hand-Store ausgeholfen und an den letzten beiden Jugendabenden teilgenommen. Ersterer dieser beiden stand bereits zwei Tage später an und war eher ein Jugendnachmittag und fand im Hochseilgarten der nahelegenden Stadt Boras statt. Dies war eines meiner Lieblingsaktivitäten innerhalb unserer Arbeit mit den Jugendlichen. Die drei Stunden klettern gingen wie im Flug um und ich hätte sicherlich noch viele weitere Stunden klettern können. So war ich auch als eine der einzigen kaum erschöpft – der Muskelkater kam erst am folgenden Tag… Doch mit dem folgenden Tag kam auch nach und nach meine Stimme zurück und ich konnte endlich wieder richtig am Leben teilnehmen. Da ich noch nie zuvor komplett heiser war, war es doch überraschend wie sehr Stimmverlust einen isoliert, vor allem wenn man im Ausland ist. Ich konnte nicht nach Hause telefonieren, ich konnte meiner Freundin kaum von meinem traumhaften Urlaub erzählen und jedes Mal, wenn ich etwas wollte, musste ich jemanden anstupsen oder hoffen, dass er just in dem Moment in meine Richtung schaut. So habe ich die Rückkehr meiner Stimme schon als eine Art Befreiung gesehen.
Meine Freude wurde jedoch bald etwas eingedämmt, als wir neben dem Second-Hand-Store und den Jugendabenden unsere dritte Aufgabe für die finalen Wochen antreten mussten. Urlaub für alle Angestellten der Gemeinde „Örby-Skene“ bedeutete auch, dass niemand mehr da war, um die Gemeindehäuser zu putzen. So hat man, wie auch in den Jahren zuvor, uns Freiwilligen diese Aufgabe übertragen. Wir bekamen einen Putzplan, den wir einmal die Woche in beiden Gebäuden abarbeiten sollten und wurden zudem aufgefordert, die Gebäude vor Veranstaltungen wie Tauffeiern oder Beerdigungen zu kontrollieren und gegebenenfalls nochmal zu putzen. Dieser Putzplan beinhaltete neben Saugen und Wischen auch die Toiletten zu putzen. Für mich stellte das Putzen ein großes Problem dar. Das nicht, weil ich mir in irgendeiner Art und Weise zu fein dafür war.
Ich hatte ein Problem damit, wie das ganze kommuniziert wurde. So stand nicht in meinem Vertrag, dass dies in unseren Aufgabenbereich fallen würde oder wurde vorher von unseren Vorgesetzen ansatzweise erwähnt, wobei dies doch jedes Jahr von den Freiwilligen gemacht wurde. Vor allem, da es sich um das Putzen öffentlicher Gebäude handelte, welche regelmäßig von größeren Gesellschaften für Veranstaltungen gebucht werden, hätte man uns meiner Meinung nach wenigstens eine Wahl geben können, denn nicht jeder hat sich damit wohl gefühlt.
Neben der Arbeit haben ich und zwei meiner Mitfreiwilligen gemeinsam Fernsehen geguckt, Brettspiele gespielt und herumgealbert. Wir drei waren in unserer Zeit hier sehr zusammengewachsen und wollten so die letzten gemeinsamen Wochen nutzen. Wir haben auch ab und an Tagestrips unternommen und so beispielsweise in Boras gemeinsam einen Escape Room gespielt oder die Schären Göteborgs nochmal besucht. Am Ende überwiegt für uns jedoch die Gemeinsamkeit und nicht, was genau wir taten.
Ziemlich bald bekamen wir dann nochmal einen Besucher, der mich doch sehr zum Nachdenken angeregt hat. Eine ehemalige Freiwillige, die uns bereits in unserer allerersten Woche hier besucht hatte und mit welcher ich seither in flüchtigem Kontakt stand. Dadurch, dass sie durch ihre Besuche den Anfang und das Ende unseres Jahres markierte, habe ich angefangen die vergangenen Monate zu reflektieren. Wir fünf haben so viel gemeinsam erlebt, wie die beiden Trainings in Stockholm, unser Ausflug nach Kiruna, wo wir die Nordlichter sehen konnten. Wir waren in Örebro, wo wir so viele andere Freiwillige aus aller Welt treffen durften, wovon uns ein paar einige Monate später auch in Örby besucht habe. Zu dritt haben wir auch die Hauptstadt Norwegens erkundet. Die Jugendabende und die Konfirmationsklassen gaben uns die Möglichkeit Aktivitäten, wie Klettern, Kanu fahren und Lasertag auszuprobieren. Das plötzliche Leben ohne Eltern, was für die meisten von uns das erste Mal war, kam mit Herausforderungen. Man lernte neben dem Arbeitsalltag zu kochen, selbst zu waschen, zu putzen und kleine Probleme im Alltag meist allein zu meistern.
Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir unglaublich viel voneinander, übereinander und über uns selbst gelernt haben. So kann ich von mir selbst definitiv behaupten, dass dieses Jahr mich verändert hat. Ich bin erwachsener und reifer geworden. Ich habe neue Dinge wie zum Beispiel Kochen und Stricken gelernt. Die vielseitige Arbeit hat mich gelehrt, woran ich wirklich Spaß habe und woran nicht. Die Haussituation hat mich wissen lassen, wie ich selbst später leben möchte. Die Distanz nach Hause hat mir gezeigt, wer mir wirklich wichtig ist und wem ich wirklich wichtig bin.
Natürlich hatte dieses Jahr sehr viele Hochs und Tiefs. Wer diesen Blog verfolgt hat, wird dies selbst schon bemerkt haben. Vieles kam anders, als erwartet und ehrlich gesagt wurde ich auch oft enttäuscht. Doch durch den Austausch mit anderen Freiwilligen und dem Lesen anderer Erfahrungsberichte kann ich mittlerweile sagen, dass das völlig normal ist. Man reißt sich selbst komplett aus seinem gewohnten Leben raus und fährt kilometerweit weg. An diesem fremden Ort kommt man mit einer gewissen Erwartungshaltung von „Das wird das beste Jahr meines Lebens“ an, die gar nicht erfüllt werden kann. In den Tiefphasen denkt man oft, man selbst habe alles falsch gemacht. Hätte man nicht lieber ein anderes Land oder ein anderes Projekt gewählt. Am besten hätte man es ganz gelassen und vielleicht wäre es das Beste früher heimzufahren. All diese Gedanken verfolgen jeden, der ein Auslandsjahr macht und sind völlig normal.
Im Nachhinein kann ich aber sagen, ich bin froh und stolz dieses Abenteuer angetreten zu haben. Ich bin auf eine Art und Weise gewachsen, wie es zuhause nie möglich gewesen wäre. Ich habe Menschen kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte und Erfahrungen gesammelt, die mich ein Leben lang begleiten werden.
All solche Gedanken begleiteten mich, während ich in der letzten Woche langsam meine Sachen aussortierte und in meinem Koffer verstaute. Am 11.08 trat ich dann die ersehnte Heimreise an, welche zunächst mit einer Busverspätung von ganzen 4 Stunden begann, danach jedoch ereignislos verlief. Spät abends erreichte ich dann mein Zuhause, wo ich meine Familie nach über acht Monaten wieder in die Arme schließen konnte und mein Jahr in Schweden so endgültig abgeschlossen habe.
Jetzt beginnt ein neuer Teil meines Lebens, der zwar durch meine Erfahrungen in Schweden beeinflusst und geformt werden wird, jedoch hier in Deutschland mit meinen Freunden und mit meiner Familie seinen Lauf nehmen wird.
Und damit sage ich wohl zu letzten Mal:
Ha det bra och hej da!
Danke an jeden, der diesen Blog fleißig gelesen und mich so auf gewisse Art das Jahr über begleitet hat, sowie ein ganz ganz besonderes Danke, an diejenigen, welche meinen Blog vor seiner Veröffentlichung jeden Monat wieder gelesen und korrigiert haben.
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